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An die Mitglieder des Parlaments wird nach Ernst Fraenkel die Forderung gestellt, den Gedanken aufzugeben, dass sie Vertreter von Partikularinteressen sind. Sie sollten sich vielmehr so verhalten, als ob sie ausschließlich Repräsentanten des Gemeinwohls seien. "Unter der Zwangsneurose leidend, ausschließlich Exponent eines nur allzu häufig fiktiven Allgemeinwillens zu sein, handelt der einzelne Parlamentarier bei Wahrnehmung der Interessen seiner Wählerschaft mit schlechtem Gewissen und mit falschem Bewusstsein." Solange dem Parlamentarier verwehrt ist, sich offen zur Doppelrolle als Repräsentant der Nation und Vertreter von Partikularinteressen zu bekennen, ist er zumindest rhetorisch gezwungen, die Sonderinteressen mit der Gloriole des Schutzes von Gemeinschaftsinteressen zu umkleiden. "Damit wird aber die freimütige Austragung der in jeder pluralistischen Gesellschaft notwendigerweise entstehenden kollektiven Interessengegensätze mit dem unechten Pathos grundsätzlicher Erörterungen über allgemeingültige Prinzipien vorgenommen, durch das die Atmosphäre des Parlaments vergiftet und die Glaubwürdigkeit der Diskussion in Frage gestellt wird und die Glaubwürdigkeit seiner Diskussionen beeinträchtigt wird."

Fraenkel, Ernst: Historische Vorbelastungen des deutschen Parlamentarismus. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte. 8. Jahrgang. Heft 4, Oktober 1960, Seite 330 und 331

 

 

Detlef Belau

6. Juni 2012

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