Andreas Hilger gibt im Roman Gläserne Zeit (2013) eine aufschlussreiche künstlerische Verdichtung von den Aktionen der Neuen Schar:

"Seit Tagen schon war die Stadt voll junger Menschen - langhaarig, barfüssige Männer und schöne Mädchen mit Kränzen und wehenden Kleidern. Ihr Ruf war ihnen vorausgeeilt, die biederen Weimarer hatte ihren Kindern Stubenarrest gegeben, aber wir waren natürlich elektrisiert, aber wir waren natürlich elektrisiert. Sie tanzten auf dem Markt und schliefen hier im Park - und eines Tages verbreitete sich die Nachricht, dass ihr Anführer in der Stadtkirche predigen sollte. Muck-Lamberty war älter als seine Gemeinde, ein hagerer Mann mit hohen Wangenknochen und sorgfältig zurückgekämmtem Haar. Er trug die einfache Tracht eines Bauern und sprach mit hoher, eindringlicher Stimme - ein Schwärmer, der die Liebenden und Gelobenden aufrief, zusammen zu leben, zu schaffen und ein Beispiel der gegenseitigen Hilfe zu geben."

 

 

 

 

Noch einmal Andreas Hilger (2013): "Muck-Lamberty war älter als seine Gemeinde, ein hagerer Mann mit hohen Wangenknochen und sorgfältig zurückgekämmtem Haar. Er trug die einfache Tracht eines Bauern und sprach mit hoher, eindringlicher Stimme - ein Schwärmer, der die Liebenden und Gelobenden aufrief, zusammen zu leben, zu schaffen und ein Beispiel der gegenseitigen Hilfe zu geben.

Kann Euch überhaupt jemand davon abhalten, gut zu sein und ehrlich?,

fragt er von seinem blumengeschmückten Pult herab - und dann begannen seine Jünger in ihren farbigen Gewändern zu schwingen und zu singen.

Rondinella rula

war ihr Erkennungsruf, bei dem sich jeder seinen Nächsten griff und mit ihm tanzte. Mich fasste ein blondes Mädchen bei den Händen .... "

 

 

 

 

Andreas Hilger rekonstruierte die Stimmung im Bauhaus-Roman Gläserne Zeit (2013):

Tausende tanzten "ein Kreuzzug der Liebe, der sich als bunter Lindwurm durch das Land schlängelte. An der Spitze lief Muck-Lamberty neben Gusto Gräser, der für den thüringischen Messias den Täufer spielte. Gräser hatte auf dem Monte Verità gesiedelt und Rudolf Steiner in seinem Goetheanum besucht. Er war mit einem zeisiggrünen Wohnwagen durch Deutschland gereist und kannte Gott und die Welt. Während des Krieges hatten sie ihn als Waffenverweigerer zum Tode verurteilt und in Irrenanstalten eingesperrt.

Und nun lief er dort vorn neben Muck-Lamberty, tanzte mit uns und erzählte uns abends seine unglaublichen Geschichten."

Dann formt Andreas Hilger mit Phantasie die dramaturgische Zuspitzung: "Die Gruppe wurde immer mehr zu einem Rudel, in dem der Anführer über die Paarung bestimmt."

 

 

Andreas Hilger: Gläserne Zeit. Ein Bauhaus-Roman. Osburg Verlag, Hamburg 2003

 

Autor: Detlef Belau

2013