Friedrich
Lamberty-Muck
am 23. Mai 1930 aus Naumburg a. S.
an Karl Otto Paetel,
Berlin-Charlottenburg,
Wilmersdorferstrasse 14.
Ich
bekam gestern die neue Nummer des "Jungen Kämpfers"
Verlag Köthen, und finde ich unter einem Artikel auch Deinen
Namen. "Es lebe die sozialistische und nationalistische Revolution",
"Arbeiter der Fäuste", "Arbeiter der Stirn".
Das sind ja die gleichen abgegriffenen Schlagworte, die die Parteipfaffen
seit Jahren dem hungernden Volke vorgesprochen haben. Das haben
die Verführer der Massen schon seit 1918 getan.
Müssen
denn die alten abgenagten Knochen der "Revolution 1918"
wieder aufgewärmt werden? Ein neues S e i n ist schon die
stärkste Revolution
Wir haben
uns doch in Hildburghausen auf der religiösen Woche ausgesprochen
darüber, dass die Schlagworte die Treibsandmasse in Bewegung
setzen, und dass eine starke Gesetzmäßigkeit und Sauberkeit
am Neubau schalten und walten muss, ja, dass ein Kunstwerk geschafft
werden muss, damit nicht ohne Weiteres in der nächsten Aufregung
20 Millionen kaputt geschlagen werden, weil die Deutschen wieder
den Kopf verloren haben.
Deutsche Revolution,
wie ich sie schaue und meine, ist etwas anderes: Ja, der Durchbruch
der entschlossenen Männer, die die Morgenarbeit leisten wollen,
die Dinge und §§ wegzuräumen, die das Menschenleben
fast unmöglich machen, aber auch die Bereitschaft, sofort
sich mit den Männern zu verbinden, die dann mit ihnen die
Uebermorgen-Arbeit beraten, oder diese gebieten und tun. Das ist
keine Berufsarbeit und Angelegenheit der "Kopfarbeiter",
"Arbeiter der Faust", das ist eine Angelegenheit der
Wachgewordenen und "Nichtberauschten"
für
die deutsche Aufgabe: Heimat als Basis und Gemeinschaft als Ziel,
darüber den Dom als das sichtbare Zeichen, dass die Führer
und das Volk Gott geschaut haben.
Du warst ja
Zeuge, wie verschroben und verbogen die Parteidinge sind, als
wir zusammen im Reichstag mit Führern der Parteien sprachen,
die uns reinen Wein einschenkten und uns zu verstehen gaben, dass
man Macht über Geist stellt. Ist das etwa deutsche "Auferstehung"?
Ist das etwa "deutsche Revolution"?
Du hast ja
selbst gehört, wie stark eine ganz jammervolle Spekulation
mit den Unzufriedenen getrieben wird und wie man es meisterlich
versteht, die Geistigen zu täuschen.
Vergeben wir
uns keinesfalls für einen Posten, für ein Gehalt, für
irgendeine "Anerkennung".
Entweder der Mitarbeiter
glaubt, dass darnach die Uebermorgen-Arbeit getan werden muss
und er versucht, sie zu verstehen oder aber wir bleiben im passiven
Widerstand, arbeiten desto ernster und tiefer und inniger an den
Einzelnen, die sich bereits zur Jungen Front gefunden haben.
Ich freue
mich auf die Arbeit, die wir in den Städten zu leisten haben
und auf das Treffen mit den Jungen, wie in Berlin. Bist Du nicht
selbst erstaunt gewesen, wie viel Gemeinsames dabei herausgekommen
ist?
Hinweis:
Der junge Kämpfer. Blätter der schaffenden und wehrhaften
Deutschen (Köthen-Anhalt). Hrsg. Rudolf König. Schriftleitung
Rudolf König u. Karl O. Paetel (15 May 1930 - 15 July 1930).