Friedrich Staps und das Recht auf Widerstand mit Bildern (2005) Rund um die Othmars-Kirche in Naumburg
Mit gefälschtem Antrag verschafft er sich einen Pass und verändert den Bestimmungsort - aus Naumburg wird Wien. Am 24. September 1809 gelangt er, ganze elf geliehene Friedrichs`dor sein eigen, im Wagen seiner Ausbildungsfirma von Erfurt nach Ilmenau. Hier verkauft er ihn und reist mit der Post an die Werra. Dann geht es weiter über Bayern und mit dem Fiaker nach Regensburg. Einem Freund schreibt er, man solle ihn nicht suchen. Man finde ihn nur tot auf dem Schlachtfeld.
In Wien Leopoldstadt, Elend Nr. 188, nimmt er am 7. Oktober 1809 Quartier. Am Tag darauf macht er sich auf den Weg nach Schloss Schönbrunn. Bei der Siegesparade aus Anlass der Schlacht bei Wagram (Österreich) am 12. Oktober 1809 tritt der Naumburger als Bittsteller an Napoleon heran; in der Hand ein in Papier eingeschlagenes scharfes Messer. Bis auf zwei Schritte steht er bereits vor Napoleon! Nur Marshall Louis Alexandre Berthier (1753-1815) kann Friedrich Staps zurückhalten und übergibt ihn nach der Festnahme General Rapp. Der lässt ihn zu Wachstube bringen und visitieren. Ausser ein paar unbedeutenden Papieren und einem Bild von einer Frau, fand man einen Dolch. General Rapp soll ihn verhören. Er werde niemanden Antwort stehen, ausser dem Kaiser selbst, soll Staps gesagt haben. Napoleon liess ihn also vorführen, umgeben von mehreren Generälen und seiner Entourage. Der Kaiser fragt:
Antwort:
Im Protokoll folgt die Frage:
Antwort:
Archivar Ernst Wölfer (1953) gibt das Verhör etwas anders wieder:
Unter der Überschrift Der deutsche Brutus veröffentlichte am 29. Mai 1913 das Russisch-Deutsche Volksblatt folgende interessante Einzelheiten zum Ablauf des Attentates und dem Verhör:
Das Kriegsgericht verurteilt Friedrich Staps zum Tode.
16. Oktober 1809. Über dem Schloss von Schönbrunn bei Wien zieht die Morgendämmerung herauf. Früh um 7 Uhr führen Gendarmen den Jungen zur Hinrichtung.* Der zweite Feuerstoß des Erschießungskommandos der württembergischen Infanterie trifft ihn tödlich. Nach den Memoiren von General Graf Jean von Rapp (1771-1821), 1823 in Paris erschienen, rief Friedrich Staps dem Hinrichtungskommando zu:
Napoleon befiehlt seinem berüchtigten Polizeiminister Joseph Fouche (1759-1820) die Sache geheim zu halten.
"Der Naumburger Chronist des Jahres 1809 fand", daran erinnert Archivar Ernst Wölfer (24), "für Staps keine Silbe," Sein Vater gab 1821 eine Anzeige im Naumburger Kreisblatt auf, dass sein Sohn "ein freiwilliges Opfer deutscher Vaterlandsliebe" ist und 1809 in Schönbrunn sein Grab fand.
Magister Friedrich Gottlob Staps, allhier Prediger an der Othmars Kirche schreibt am 29. Mai 1913 im Russisch-Deutschen Volks-Blatt:
Die Ermittlungen des Oberlandesgerichts bringen einiges von den letzten Tagen des Tyrannenmörders ans Licht. Magister Staps erhält schließlich 1831 die Bestätigung vom Tod seines Sohnes und damit, dass er alleiniger Erbe des Nachlasses seiner Ehefrau geworden war. (Vgl. Goydke 378) Das politische Klima nimmt nach den Freiheitskriegen und dem Mord an August Kotzebue im Jahr 1819 repressiven Charakter an. Bei den Feierlichkeiten aus Anlass der Befreiung von den Franzosen findet Friedrich Staps keine Beachtung.
Am 14. März 1792 wird Friedrich Staps in Naumburg geboren. Da ist sein Vater 34 Jahre und Pfarrer in der St. Othmar Gemeinde. Er stirbt 1842 im Alter von 84 Jahren. Die Mutter, geborene Wislicenus, ist bei Geburt 41 Jahre alt. Sie stammt aus einer Pfarrerfamilie in Schönburg bei Naumburg (Saale). Der Junge wächst wohlbehütet auf. Seine Kindheit verlebt er in einem Haus nahe der Othmars-Kirche (Karte). Man kennt ihn als ruhig, grüblerisch und etwas schüchtern; ein ansehnlicher Junge mit hübschen braunen Haaren. Mit neun Jahren entwickelt er schon eigene Ziele. Von früh bis 7 Uhr bis Abends plant er seine Tätigkeiten. Am 14. Oktober 1806 endet die Schlacht bei Jena-Auerstedt für das Königreich Preußen mit einer verheerenden Niederlage. Umgehend richtet man in der Othmars-Kirche ein Lazarett her. Darunter leidet das Gotteshaus schwer. Noch mehr leiden aber die verwundeten Soldaten. Hat dies Friedrich beeinflusst? Am 5. Mai 1806 beginnt er bei der Firma Rothstein, Lentin & Co. in Erfurt eine kaufmännische Lehre. Er lernt fleißig. Mit den Eltern bespricht er seine Empfindungen und Erfahrungen im Jugendalter und Neuigkeiten. So zum Beispiel das Zusammentreffen von Napoleon Bonaparte (1769-1821) und dem Zaren Alexander I. (1777-1825) am 27. September 1808 in Erfurt. Die Diplomaten verstehen sich darauf, prunkvolle Feste zu feiern. Am 7. Oktober arrangiert Napoleon eine Hasenjagd auf dem Schlachtfeld in Jena. Welch eine Demütigung und Erniedrigung für die Deutschen. Die Dresdner Oper stellt Napoleon als Gottheit dar. Nicht so in Weimar! Am Hoftheater zeigt man am 6. Oktober vor auserlesenem Publikum mit französischen Schauspielern die Aufführung Caesars Tod.
In Patrick Rambauds (Jahrgang 1946) Roman Die Schlacht über die Niederlage Napoleons bei Aspern wird Friedrich Staps eine fiktive Rolle zugewiesen. Denn zum Zeitpunkt des Kampfes weilt Friedrich noch in Erfurt. Napoleons Niederlage bringt, wie es Heinrich von Kleist aussprach, die Hoffnung auf das Ende seiner Militärdiktatur. Rambaud verbindet den Niedergang Napoleons mit der Tat von Staps und weist ihm damit eine historische Rolle zu.
Wie verstehen wir aber seine Geschichte? Dr. Paul Braun (1929) bezeichnet Staps als unglücklichen Patrioten. Für den Naumburger Archivar Ernst Wölfer (1953, 24) war klar, er hat sein "Leben eingesetzt und für die Freiheit seines Vaterlandes und den Frieden". Eberhard Kaufmann (2002) nennt ihn einen Märtyrer. Jürgen Goydke (1995) erkennt ihn ihm einen Helden der Freiheitskämpfe. Dr. phil. Ernst Borkowsky erinnert sogar mit einem kleinen Büchlein unter dem Titel Das Schönbrunner Attentat im Jahre 1809 an das Leben und die Tat von Friedrich Staps. Aber weder Borkowsky noch Goydke stellen die rechtsphilosophische Frage nach der Legalität des Attentats. Von Borkowsky kann man dies auf Grund der damals bestehenden politischen Verhältnisse nicht erwarten. Vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Naumburg, Professor Jürgen Goydke, im Jahr 1995 hingegen schon. Auf die Frage kann die Stadtgesellschaft bei der Aufarbeitung des NS-Unrechts in der Gerichtsstadt Naumburg nicht verzichten.
Paul Sattelmacher schließt als Präsident des Oberlandesgerichts Naumburg Fried mit den gottlosen Fürsten. Nicht so der Sohn des Pfarrers der St. Othmar Gemeinde, Friedrich Staps!
* Der genaue Ort der Hinrichtung von Friedrich Staps kann auf Grundlage unten ausgewerteter Quellen meiner Ansicht nach nicht sicher angegeben werden. Möglicherweise war es im Fünfhaus (heute XV. Bezirk) oder im heutigen XII. Bezirk.
Braun, Paul (Oberweimar in Thüringen): Der Naumburger Pfarrersohn Friedrich Staps, ein unglücklicher Patriot. Naumburger Tageblatt, (Beilage) Naumburger Heimat, 1929, Nummer 43 Borkowsky, Ernst: Das Schönbrunner Attentat im Jahre 1809. Mit Benutzung der geheimen Polizeiakten des französischen Nationalarchivs in Paris. Verlag für Militärgeschichte und Deutsches Schrifttum, Halle an der Saale Der deutsche Brutus. In: Russisch-Deutsches Volks-Blatt. Herausgegeben von Kotzebue. In der Expedition Französische Straße Nr. 23, und auf allen Postämtern. Nr. 26, Berlin, den 29ten May 1913. In: Russisch-Deutsches Volks-Blatt 1813. Eingeleitet von Fritz Lange, Rütten & Loening, Berlin1952 Gellhorn, Mathilde von: Friedrich Staps der Predigersohn von St. Othmar zu Naumburg a. S.. Historisches Trauerspiel in 5 Aufzügen, Naumburg an der Saale 1909 Goydke, Jürgen: Rehabilitierung als Justizaufgabe. Goydke, Jürgen (Herausgeber): Vertrauen in den Rechtsstaat. Beiträge zur deutschen Einheit im Recht. Heymann Verlag Köln 1995, Seite 375-381 * Hoppe, Friedrich: Naumburger Heimatbilder. Ein Anhang zu den Naumburger Schullese- und Geschichtsbüchern. II. Naumburg, Druck und Verlag Heinrich Sieling 1926, Seite 45 Kaufmann, Eberhard: "Sie zu töten ist kein Verbrechen." Friedrich Staps - der Naumburger, der Napoleon mit dem Messer nach dem Leben trachtete - 210. Geburtstag des Märtyrers. "Naumburger Tageblatt, Burgenlandjournal", 23. März 2002, Seite 20 Müntzer, Thomas: Predigt auf dem Schlachtfeld Frankenhausen am 15. Mai 1925. Dokumente aus dem Deutschen Bauernkrieg. Beschwerden - Programme - Theoretische Schriften. Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig. 1974, Seite 170-172 Opitz, Günter: Friedrich Staps. http://www.wislicenus.info/friedrich_staps.htm - 14. August 2009 Page, Winfried: Das geplante Attentat? "Naumburger Tageblatt. Burgenland-Journal", Naumburg, den 19. Dezember 1994, Seite 12 Rambaud, Patrick: Die Schlacht. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2002 Staps, Friedrich. "Naumburger Kreisblatt". Nummer 43. Naumburg, den 28. Oktober 1843, Seite 255-258 Staps, M. Friedrich Gottlob: Brief vom 15. November 1809. In: Der deutsche Brutus. Russisch-Deutsches Volks-Blatt. Herausgegeben von Kotzebue. In der Expedition Französische Straße Nr. 23, und auf allen Postämtern. Nr. 26, Berlin, den 29ten May 1913. In: Russisch-Deutsches Volks-Blatt 1813. Eingeleitet von Fritz Lange, Rütten & Loening, Berlin1952 Staps, Friedrich [Brief an die Eltern]. Letzter Brief von Friedrich Stapss. Mitgetheilt von Herrn Prof. Grohmann. In: Zeitschrift für psychische Ärzte. Hauptteil. 4. Vierteljahreszeitschrift, Leipzig 1821, Seite 135 bis 140 Wölfer, E. (Archivar):
Friedrich Staps - ein Naumburger Freiheitskämpfer. |
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Autor: Detlef Belau |
Geschrieben. September 2009. Aktualisiert: 30. August 2010 |