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Hildegard Hollaender

"Am 28. März 1893 wurde ich in Werben a.d. Elbe in der Altmark geboren", schreibt Hildegard Hollaender. "Meine Eltern waren der damalige Archidiakonus, spätere Pfarrer u. Dr. der Theologie Ernst Wollesen u. seine Ehefrau Hedwig, geb. Jach.

Hildegard 1915

Meine Kindheit u. Schuljahre verlebte ich in Werben. Später brachte der Wohnwechsel meiner Eltern auch einen Wechsel der Schulen mit sich. So besuchte ich abwechselnd Volks-, mittlere u. höhere Schulen in Ellrich/Harz, Stendal u. Brandenburg/Havel. In Brandenburg bestand ich am dortigen Oberlyzeum die Reifeprüfungen 19. April 1912 u. erhielt das Zeugnis der Lehrbefähigung für Volks-, mittlere u. höhere Schulen am 13. Februar 1913. Bereits Ostern 1913 begann ich zu unterrichten. Meine erste Stelle - ich wurde vertretungsweise beschäftigt - erhielt ich in Zeitz, den damaligen Wohnort meiner Eltern an der dortigen Mädchenvolksschule. Vorrübergehend vertrat ich auch in Streckau u. Theissen.

Meine Heirat mit dem damaligen Assessor Dr. Otto Hollaender führte mich nach Spandau. Hier unterrichtete ich am dortigen Lyceum. Ich wurde dort am 7. Dez. '14 Kriegsgetraut. Mein Mann, der anfänglich als Kriegsfreiwilliger am Krieg teilgenommen hatte, kehrte leidend zurück. Garnisonsverwendungsfähig geschrieben, arbeitete er als Militärhilfsrichter in Spandau, später in Berlin und ab 1917 in Posen als Kriegsgerichtsrat. Nach Beendigung des Krieges liess sich mein Mann als Rechtsanwalt in seiner Heimatstadt Naumburg / Saale nieder. Hier wohnten wir bis Machtergreifung durch die Nationalsozialisten. Wir hatten 6 Kinder, von denen heute nur noch 3 am Leben sind. Wegen seiner Zugehörigkeit zur Jüdischen Rasse u. wegen seiner politischen Tätigkeit (er gehörte der demokratischen Partei an, war Mitglied des Reichsbanners u. entfaltete eine rege Agitation im demokratischen Sinne) war er sehr gefährdet. Anf. April 1933 ging er nach Paris, wohin ich ihm im Juli mit meinen Kindern folgte. Seine geschwächte Gesundheit hielt den schweren Anforderungen des dortigen Lebens nur wenige Jahre stand. Am 24. Januar 37 starb er nach Kurzer schwerer Krankheit.

Hildegard Hollaender mit Schulklasse, etwa um 1950 in Bad Kösen. Foto: Archiv Dr. Fichtner, Bad Kösen - Vollbild

Ich selbst kehrte nach Deutschland zu meinem jüngsten kranken Kinde zurück. Meine anderen Kinder blieben im Ausland. Mein ältester Sohn kehrte 41 zurück und wurde hier ein Opfer des Faschismus. Er kam im KZ-Lager Sachsenhausen ums Leben. Im April 1942. Im Herbst desselben Jahres starb auch mein jüngster Sohn. Ich arbeitete abwechselnd als Kontoristin in Bad Kösen, Naumburg und Leipzig. In Leipzig war ich mehrere Jahre in dem grossen Verlags- u. Kommissionshaus von Haessel tätig.

Seit dem 2. Januar 46 bin ich als Lehrerin an der Zentralschule in Bad Kösen tätig. Vor 1933 gehörte ich der SPD an und seit 46 der SED."

Hildegard Hollaender, berichtet Dr. Fichtner (Bad Kösen, 2010), wohnte nach ihrer Rückkehr aus Frankreich zuerst bei Dr. Kurth, Saalberge 10, der das Grundstück 1934 erworben hatte.

Hildegard Hollaender zum 1. Mai 1954 in Bad Kösen. Siebente von rechts. Foto: Archiv Dr. Fichtner, Bad Kösen - Vollbild

Mit Beginn des Unterrichts am 1. Oktober 1945, wird sie Klassenleiterin einer 3. Klasse in der heutigen Bergschule in Bad Kösen und unterrichtete die Schüler bis zum Ende der 4. Klasse. (Nach Karl-Heinz-Ritter, ein ehemaliger Schüler von Frau Hollaender, Richard-Kanzler-Straße, Bad Kösen)

Danach übernahm sie eine 1. Klasse (siehe Klassenfoto). Ein Bezug findet sich bei Sylvia Smuda im Roman "Bergweg". Zu dieser Zeit war sie meine Kollegin. Ich [Dr. Fichtner] übernahm damals gerade eine dritte Klasse. 1953 erreichte sie das Rentenalter. Vermutlich war sie aber noch zwei Jahre im Schuldienst tätig. In den 50er Jahren war ich [Dr. Fichtner] mit ihr zusammen mit einem Pfarrer (ehmaliger Kriegsgefangener in Frankreich ), einer Dame, die in erster Ehe in Frankreich und Holland gelebt hatte, in einem kleinen Konversationszirkel, privat in einer Wohnung. Wir trafen uns mehrere Male und hatten eine gute lustige Unterhaltung.

 

 

Hildegard Hollaender (Dokument)

Dr. Fichter: Hildegard Hollaender (geboren 28.3.1893). Brief an Detlef Belau, Naumburg a.S., vom 7. April 2010

 

Ich danke Herrn Dr. Fichtner, Bad Kösen, für die Gespräche zu Hildegard Hollaender im April 2010.

 

Detlef Belau

Aktualisiert:
22. März 2010

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