Die
Verfolgung der Naumburger Freimaurer
Im Haus an Ecke Kleine Salzgasse / Große Neustraße treffen sich zur Verallgemeinerung der Brüderlichkeit und Humanität die Freimaurer. Nicht nur aus Naumburg, sondern aus der Umgebung und fernen Städten. Sie suchen den freien Ideen- und Meinungsaustausch. Dies kann nur in guten, vertrauensvollen zwischenmenschlichen Beziehungen gelingen, weshalb sie Verschwiegenheit üben und das Arkanprinzip praktizieren. Trotzdem kommt es gegenüber der humanitären Initiationsgemeinschaft nach dem Ersten Weltkrieg zu skurrilen öffentlichkeitswirksamen Anwürfen. Alfred Rosenberg (1893-1946) spricht in Die Verbrechen der Freimaurer (1921) von der jüdisch-freimaurischen Weltverschwörung. General Erich Ludendorff (1865-1937) will die Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse (München 1927). Die Kreise der Regierenden, schreibt Adolf Hitler in Mein Kampf (1924), sowie die höheren Schichten des politischen und wirtschaftlichen Bürgertums gelangen durch maurerische Fäden in seine Schlingen, ohne daß sie es auch nur zu ahnen brauchen. Schon über 170 Jahre besteht die Loge Zu den drei Hammern in Naumburg. Karl Gotthelf Reichsfreiherr von Hund und Hohengrottkau gründete sie, nachdem er 1742 in Gent zum Meister erhoben wurde. Blick
in Richtung ehemalige
Ihre Geschichte in Naumburg geht hingegen auf das Jahr 1749 zurück. "Gegründet wurde die Loge vermutlich von Karl Albert Gottlob Baron von Tanner aus Nürnberg, Konrad Jacob Schmidt aus Auerstedt und Johann Wilhelm Mylius aus Clöden in Sachsen. Die beiden letzten waren Offiziere des Prinz Xaver`schen Infanterie-Regiments, das zu jener Zeit, als Naumburg noch zu Kursachsen gehörte, die Garnison in unserer Stadt bildete. Beide hatten damals das 30. Lebensjahr noch nicht erreicht. Tanners Stand und Alter dürften ähnlich gewesen sein. Sie besaßen ein Konstitutionspatent vom 30. Juli 1749." (Kaufmann 2004) Hingegen stammt das Konstitutionspatent der "Logen zu den drei Hammern in Naumburg a. S." vom 29. April 1815. Am 9. Oktober 1815 erfolgte die feierliche Eröffnung der Bauhütte. Zu ihren Mitgliedern zählte Oberlandesgerichtsrat Ernst Pinder, Landrat Carl Peter Lepsius, Heinrich Moritz Schomburgk, Kaufmann Karl Friedrich Gerischer, Dr. Christian Weiß. (Vgl. Ebenda)
Blick in Neustrasse aus der
Jetzt verschreiben sich Männer, wie Gustav Winter aus Großjena mit der 1927 gegründeten Wochenzeitung Wahrheit und Recht, dem Kampf gegen die Plutokratie, gegen die überstaatlichen Mächte, Juden und Freimaurer! Und es ist die völkische Bewegung, die direkt und oft mehr noch indirekt mit ihrem Trachten nach Erneuerung des deutschen Lebens von innen heraus, aus dem Grunde germanischen Blutes und Wesens die Freimaurer zum Gegner eines Großdeutschlands stilisiert. Mit von der Partie: die evangelische und katholische Kirche. Ein bizarres Interessengeflecht von Institutionen, verschiedenen politischen Gruppen und Öffentlichkeit sanktionieren bereits vor 1933 die Unterdrückung und Zerstörung der Freimaurerei. Im NS-System wird dies zu einer staatlichen Aufgabe mit hoher Priorität. Beispielsweise besteht bei der Staatspolizeistelle Erfurt in der Abteilung II ein Referat II B 2 Emigranten, Freimaurer und Juden. Allgemeine politische Angelegenheit. Die Schläge gegen die Freimauer führt die Stapo mit großer Wucht aus. - So auch in Naumburg.
Wir wissen, dass sich die Loge Zu den drei Hammern um die Mitte des 18. Jahrhunderts gründet (vgl. Kaufmann). Seit 1883 besteht die Schottenloge Zur neuen Burg an der Saale. Arthur Gerstenhauer schreibt:
Weiter heißt es hierzu:
Der Versuch, mit Satzungsänderung vom 11. April 1933 die bisherige Große National-Mutterloge Zu den drei Weltkugeln in einen Nationalen Christlichen Orden Friedrich der Große zu überführen, schlägt fehl. Nach Gerstenhauer hat sich die Naumburger Loge Zur
neuen Burg an der Saale bereits am 12. April 1933 als aufgelöst. Die Staatspolizeistelle (Stapo) Halle berichtet:
Adolf Hitler befiehlt dann am 17. August 1935 wegen des Verdachts landesverräterischer Umtriebe alle Logen im Deutschen Reich zu schließen. Einige Mitglieder der Loge Zu den drei Hammern zeigen Einsicht - wenn man dem Schreiben des Oberbürgermeisters vom 23. Juni 1935 Glauben schenken kann - und legen ein Gesuch zur Selbstauflösung vor. In einer Notiz vom 22. Juni 1935 wird vermerkt, dass hierzu ein Beschluss der Mitgliederversammlung vorliegt. Schließlich gilt die Loge Zu den drei Hammern mit Anordnung des Oberbürgermeisters und der Ortspolizeibehörde vom 30. Juni 1935 amtlicherseits als aufgelöst. (Vgl. Loge, Blatt 583) Sogleich betreibt die Stadtverwaltung den Zwangsverkauf des 0,44 Ar [1 Ar = 100 Quadratmeter] großen Grundstücks der Loge "Zu den drei Hammern" an der Ecke Kleine Salzgasse / Große Neustraße (Bild). 1876 hatten die Logenbrüder dies für 3 800 Taler erworben, um am 13. September desselben Jahres mit der Grundsteinlegung ihres neuen Tempels zu beginnen. An diesem Haus mit Grundstück bekundet nun im Dezember 1935 der Oberbürgermeister (NSDAP-Kreisleiter) Uebelhoer in seiner Eigenschaft als Stiftungsvorsteher der Waisenhausversorgungsanstalt Naumburg a. S. Interesse und bietet 15 000 RM (vgl. Loge 1.2.1936). Verhandlungsbasis der Loge ist allerdings ein Betrag von 30 000 RM. Immerhin besitzt das Grundstück nach dem Einheitswert 1931 einen Wert von 46 800 RM. Dann erscheint im Archiv unter der Angabe Berlin, 27. Juni 1936 folgende Notiz:
Der Text ist unterzeichnet mit Im Auftrag Eichhoff und trägt den Absender: Der Reichs- und Preußische Minister des Inneren. III P Loge N10 XIII. Also praktisch mit Androhung von Gewalt setzt sich der Oberbürgermeister durch. Einen fairen wirtschaftlichen Ausgleich erhält die Loge nicht. Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei genehmigt den Abschluss des Kaufvertrages (vgl. Loge 19.10.1936). Das Logen-Gebäude Ecke Kleine Salzgasse / Große Neustraße wird ab 1937 dann von der Polizei genutzt und im April 1945 durch Bomben zerstört. Auf Grund der dargestellten Umstände vom Verkauf des Grundstücks der Loge Zu den drei Hammern handelt es sich hierbei um eine Zwangsauflösung. In der Bevölkerung stößt dies auf keine spürbare Reaktionen oder gar Abwehr. Unter Berücksichtigung der verdümmlichten öffentlichen Meinung über die Freimaurer ist dies auch nicht wirklich zu erwarten. Seit den Schriften von Alfred Rosenberg, Erich Ludendorff oder Adolf Hitler (Mein Kampf) erscheinen sie eher als notwendige und richtige Maßnahme des Staates. Die Verfolgung der Freimaurer geht nach 1935 weiter, wie der Fall Gustav Hübner zeigt. Tatsächlich ging von den Freimaurern natürlich überhaupt keine Gefahr für die Stadt Naumburg aus. Im Gegenteil. Ihr Wirken war fruchtbar, helfend und trug oft karikativen Charakter. Ihre moralischen Werte sind zukunftsfähig und stehen für ein friedliches Miteinander im Stadtleben. Dabei orientieren sie gemäß ihrer liberalen Philosophie auf die hohe Verantwortung des Einzelnen für seine eigene wirtschaftliche Existenzgrundlage. Darüber mag man in Zeiten schwerer Wirtschaftskrisen und im Manchesterkapitalismus unbedingt streiten können, doch prinzipiell falsch ist es nicht. Die Mitteldeutsche Zeitung (Ausgabe Merseburg) teilt am 3. August 1935 den Lesern Das Ende der Freimaurer mit. Und sie hat in diesem Fall recht, wenn sie meint, der Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus konnte diese nicht bestehen lassen. Die Zwangsschließung der Logen Zu den drei Hammern durch die Nationalsozialisten ist ein bis heute in der Stadtgeschichte kaum beachtetes Ereignis. Zu Unrecht, wie ich meine. Denn es erzählt uns viel von der geistigen Verfasstheit der Stadtgesellschaft, gewährt uns einen tiefen Einblick über das Ausmaß der Verblendung und ideologischen Borniertheit des Bildungsbürgertums. Oberstudienrat (1935) Albrecht Siehe vom Reformrealgymnasium Naumburg, geboren 1898 in Calau (Lausitz), empfiehlt sich mit seinem verbalen Exzess gegen die Freimaurer als kommissarischer Leiter der August-Victoria-Schule in Halberstadt (1934). Die Freimaurer klagen dagegen. Hiervon erzählt der Logen-Prozess. Obwohl die Zwangsmaßnahmen und die Verfolgung der Freimaurer einen zutiefst antiliberalen und deshalb menschenfeindlichen Charakter tragen, stört sich Keiner daran, nimmt es die Stadtgesellschaft einfach hin.
Gerstenhauer, Arthur: Geschichte der ehemaligen Schottenloge Zur Neuen Burg a. d. Saale in der zweiten Hälfte ihres fünfzigjährigen Bestehens von 1908 bis 1933. 1933 Kaufmann, Eberhard: Freimaurer mit Segen aus England. Die "Loge zu den drei Hammern" in Naumburg" - Prominentes Gründungsmitglied: Carl Peter Lepsius - Zwangspause in der Nazizeit. In: Burgenland-Journal (Beilage zum "Naumburger Tageblatt"), 24. April 2004, V 6 [Loge zu den drei Hammern] Stapo Halle (Saale). Dreyhauptstraße 2. An Gestapo Berlin. [4.2.1934] In: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg Rep. C 48 I e, 1168, Blatt 434 [Loge zu den drei Weltkugeln] Regierungspräsident von Merseburg. Journal der No. P.-Pol, 70/31 Nr. 534/35. 15. Mai 1935. An Reichs- und Preußischen Minister des Inneren. III P Log. N. 10 II. In: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg Rep. C 48 I e, 1168, Blatt 569 [Loge zu den drei Hammern] [Oberbürgermeister] An den Regierungspräsidenten in Merseburg. 23. Juni 1935. In: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg Rep. C 48 I e, 1168, Blatt 571 [Loge zu den drei Hammern] In: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg Rep. C 48 I e, 1168, Blatt 583 [Loge zu den drei Hammern] Der Reichs- und Preußische Minister des Inneren. III P Loge N10 XIII. Berlin, 27. Juni 1936". In: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg Rep. C 48 i e, 1168, Blatt 740 [Loge zu den drei Hammern] Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde an den Regierungspräsidenten von Merseburg. 21. August 1935. In: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg Rep. C 48 i e, 1168, Blatt 52 [Loge zu den drei Hammern] Brief von Gerstenhauer und Humm vom 1.2.1936. In: Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg Rep. C 48 I e, 1168, Blatt 589 [Loge zu den drei
Hammern] Regierungspräsident von Merseburg. Journal der No. P.-Pol,
70/31 Nr. 533/36. Merseburg, 19.10.1936. An den Reichsführer SS und
Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren. In: Landeshauptarchiv
Sachsen-Anhalt, Merseburg Rep. C 48 I e, 1168, Blatt 748 [Stapo 1933a] Lagebericht der Staatspolizeistelle Halle für Februar 1934. In: Die Lageberichte der Geheimen Staatspolizei zur Provinz Sachsen 1933 bis 1936. Herausgegeben von Hermann-J. Rupieper und Alexander Sperk, Band 2: Regierungsbezirk Merseburg, mdv, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2004, Seite 56 ff.
Vorstehender Text wirft zu den in Naumburg (Saale) im 20.Jahrhundert aktiven Freimaurern einige Fragen auf, die durch den Autor nicht geklärt werden konnten. Es gäbe so Gründe, diesen Text nicht zu veröffentlichen. Andererseits kann er vielleicht einen Anstoss zu Erforschung der offensichtlichen Widersprüche und Lücken geben. |
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Geschrieben
April 2005. Aktualisiert: 23. August 2009
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