Am 25. Januar 1928 titelt die Berliner Welt am Abend auf der ersten Seite: Geheimnisvolle Filmautos rollen durch Deutschland. Gemeint sind die sechzehn Reklamevorführwagen, auch Film-Propaganda-Tanks genannt, aus Naumburg. Sie gehören der Devoli, die im ehemaligen Garnisonslazarett im Spechsart (Nordstraße 6) stationiert ist. Ende 1927 zählt sie immerhin 85 Angestellte, deren Monatsgehälter zwischen beachtlichen 250 bis 2 400 Reichsmark liegen. Die Devoli bestellte, berichtet der Vorwärts (Berlin) am 11. November 1927, bei Ford 400 Spezialkraftwagen. An und für sich kündigte sich hier ein hoffnungsvolles Kulturprojekt an, was auch gleich das Interesse der deutschsprachigen Filmwelt auf sich zog. Unter der Überschrift Neueste Nachrichten berichtete am 10. November 1927 auf der Titelseite die Österreichische-Filmzeitung:
Trotz kulturpolitischer Offerten und einem enormen öffentlichen Interesse am Kulturkino, meldet das Unternehmen im März 1928 Konkurs an. Natürlich wirft das Fragen auf. Eine Antwort darauf werden wird nur finden, wenn wir die Ereignisse aufsuchen und ihre Hintergründe verstehen lernen. Seit Anfang der 20er Jahre dominieren Produktionen aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich den deutschen Spielfilmmarkt. Kritiker à la couleur betrachten dies mit Sorge. Die Deutschnationalen und Nationalsozialisten spielen es zur Gefahr für die deutsche Kulturnation hoch. Derweil nutzen sie das neue Medium zur nationalistischen und militaristischen Erziehung, was das Misstrauen besonders linker und kulturkritischer Kreise gegenüber dem noch jungen Medium Film verstärkt. Typisch hierfür die Erklärung von Willi Münzenberg (1889-1940) aus dem Jahr 1925 in Erobert den Film:
Das Massen-Kino bietet immer weniger Raum für alternative Kunst. Deshalb unterstützt 1922 der ADGB (Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund) die Gründung der Volks-Lichtbühne, die sich dem sozialistisch-proletarischen Film widmen will. Der Versuch scheitert. Ein weiterer startet in Naumburg.
Reichsverein für Vaterländische Lichtspiele (RVL) Zur
gründet sich 1924 mit Eintrag in das Register des Amtsgerichts Freyburg an der Unstrut der
Für einen Jahresbeitrag von 50 Pfennigen gibt es eine Mitgliedskarte. Damit kann man beispielsweise die vaterländische Filmproduktion, wie Lieb Heimatland (Filmwerkstätten Erich Claudius, Naumburg an der Saale) oder Ein Tag der Rosen im August (1927) mit Eduard Winterstein, zum Vorzugspreis besuchen. Dem RVL stehen der ehemalige Stabsarzt a. D. und Facharzt für Nervenleiden Dr. Dettler (Lindenhof 2, dann: München, Neuhauser Straße 30 II - 1928) und Hauptmann a. D. von Paris (Burgstraße 43) vor. Als korporative Mitglieder wirken mit: Alldeutscher Verband - Ortsgruppe Naumburg (Vorsitzender Kaufmann R. Schäfer, Burgstraße), Oberland Leipzig, Deutsche Adelsgenossenschaft Berlin, Deutscher Offiziersbund Berlin (und andere Städte), Deutscher Schützen- und Wanderbund Weißenfels, Reichskriegerverband Kyffhäuser / Ortsgruppe Naumburg, Kriegerverein Almrich, Jungstahlhelm / Ortsgruppe Zeitz, Königin Luisenbund / Ortsgruppe Leipzig, Deutschnationale Volkspartei Deutschland / Ortsgruppen. Dabei, wie dem Vorwärts vom 11. November 1927 zu entnehmen, Georg Schiele (Naumburg), ein Anhänger von Wolfgang Kapp. Der Verwaltungsrat setzt sich aus Mitgliedern der Organisationen Wehrwolf, Stahlhelm, Wikinger, Kyffhäuserbund, Jungdo und Deutschvölkischer Offiziersbund zusammen. Die Führung und Unterstützungsszene des RVL vermittelt eine erste Vorstellung von seinen Zielen und Kulturverständnis. In ganz Deutschland wirbt er um Mitglieder. Ende 1927 gehören ihm 3,5 Millionen Bürger an. (Vgl. Devoli 30.12.1927)
Filmwerke Filmenau Aus dem RVL entstehen die Filmwerke Filmenau G.m.b.H.. Deren Tätigkeit bleibt immer undurchsichtig. Graf Werner von der Schulenburg bringt 20 000 Reichsmark als Grundkapital ein. Eher gedrängt als freiwillig, leistet Geschäftsführer Erich Claudius am 19. April 1927 den Offenbarungseid. Zwangsläufig regt sich erstes, jedoch bei weiten nicht ausreichendes Misstrauen in dessen Fähigkeiten zur Geschäftsführung. Anfang Januar 1928 beabsichtigt er, wie der Bürgermeister an den Regierungspräsidenten von Merseburg berichtet, sich beim Amtsgericht Freyburg an der Unstrut in
umzubenennen. Der Reichsverein für vaterländische Lichtspiele (RVL) und die Im Devoli sind im selben Haus stationiert.
Gründung
Deutsche Volkslichtspiele, Schnell kommt es zur Umgruppierung. Aus dem RVL entsteht eine neue Firma. Unter Nummer 81 findet sich im Handelsregister des Amtsgerichts Naumburg der Eintrag vom 3. August 1927:
Ihr Stammkapital beträgt 20 000 Reichsmark. Laut Vertrag vom 28. Mai 1927 zwischen Reichsverein für Vaterländische Lichtspiele (RVL) und Devoli, übernimmt Letztere die Ausführung von Filmveranstaltungen. Der Gesellschaftsvertrag der Devoli datiert vom 27. Juli 1927. Sie wird von einen oder mehreren Geschäftsführern vertreten.
Graf Adelbert Karl Werner von der Schulenburg (1885-1951) aus Burgscheidungen (ab 1930 München, Habsburger Platz 1) gibt große Summen für die Firma her. Nach Aussage des Vorwärts vom 21. Juni 1931 rang ihm Erich Claudius für das Devoli-Unternehmen insgesamt 500 000 Reichsmark ab. Er soll 100 000 Reichsmark, meldet das Jenaer Volksblatt am 17. März 1928, verloren haben. Deshalb ist ein Entmüdigungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Der eloquent auftretende Geschäftsführer der Devoli soll ihn regelrecht mit Gutachten von Branchenexperten eingewickelt haben und davon überzeugt haben, dass seine bisherigen Investitionen nur Gewinn bringen können, wenn er weiteres Geld investiert.
Deutschnationale Ausrichtung der Devoli Ein Mitarbeiter des Naumburger Tageblatts eilt im November 1927 in den Spechsart, um den Geschäftsführer der Devoli zu interviewen. Am nächsten Tag war in der Zeitung zu lesen:
Gott sei Dank! Na, dann ist ja alles Ordnung. Hauptsache Deutschnational. Recht so, Claudius. Auf dich ist verlass, denkt der Naumburger. Prompt erklärt der Geschäftsführer, es bestehen keinerlei Verbindungen zu Hugenberg oder Georg Schiele. Daran darf man zweifeln, unterrichtet doch der Vorwärts (Berlin) am 11. November 1927 die Öffentlichkeit über das "Reichswehrgeschäft mit Hugenberg":
Unter der Headline
informiert in der Morgenausgabe das Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands:
Nun war es ja so, dass die Devoli angeblich 200 Panzerpropaganda-Wagen bei der Firma Ford bestellt hatten. War das nicht ein Konzern in Detroit? Womöglich ein amerikanischer Autokonzern? Wenn sich das "bewahrheitete", enthielt es einiges Empörungspotential für die Deutschnationalen der Stadt. Angeblich waren sie ausgezogen, um das internationale Finanzkapital aus Deutschland auszutreiben. Und nun war es schon in Naumburg angelandet .....
Tätigkeit der Devoli Mittlerweile ist Claudius Geschäftsführer der Devoli. Ihr Sitz befindet sich im ehemaligen Garnisonslazarett Spechsart (Nordstraße 6). 85 Angestellte arbeiten in den Vorführ-, Werk- und Archiv-, Pack- und Lagerräumen und Tischlerei. Sechs Personen-Kraftwagen und 16 Reklame Vorführwagen steuerten durch Deutschland, boten Werbefilme mit Ton an. Der Fahrer, zugleich auch Filmvorführer, soll einen geeigneten Saal anmieten, um vaterländische Spielfilme vorzuführen. In der topographischen Abteilung der Firmenzentrale zeichnet der Leiter die Fahrtroute des Film-Propaganda-Tanks auf und koordiniert deren Einsatz.
"Die Aufträge von den Firmen hagelten nur so und es schien als sollten Deutschland in einem Jahr
schreibt Gustav Winter (Grossjena) am 22. Februar 1929 in Wahrheit und Recht (Nummer 8).
Erstmals, als Devoli-Mitarbeiter bei ihrer Einstellung im Herbst 1927 eine Kaution hinterlegen sollen, horcht die Naumburger Öffentlichkeit auf. Die Firmenleitung beruhigt die Nachdenklichen mit dem Hinweis darauf: Gegen mögliche Regressforderungen können sich die Mitarbeiter bei der Allianz für einen Monatsbeitrag von 5 Reichsmark rückversichern. Natürlich wurde man nun in der Stadtverwaltung auf die Firma aufmerksanm. Victor Artes unternahm einige Nachforschungen. Der Industrie- und Handelskammer Halle teilte er 10. September 1927 mit, dass es, bis aus die famosen Anzeigen, nichts besonderes zu melden gibt. Freilich klingen die angegebenen Zahlen reichlich fantastisch, merkt der Stadtrat kritisch an. Wenn Erich Claudius (1889-1940) mit im Spiel, dann lief doch eigentlich nichts normal oder regulär ab. Wie aber gelangte er dann an die Spitze der Devoli? So kann das Geschehene beschrieben werden, aber in Anbetracht dessen, dass dieser Mann in Naumburg kein Unbekannter war, kann die Zutraulichkeit besonders der Geschäftsleute, nicht so einfach erklärt werden.
Untergang der Devoli
sieht die Welt am Abend die "Autos" (Propagandawagen) von Kapitän Ehrhardt in Kolonnen zu je 20 Wagen mit Kinoapparaten und Radios durch Deutschland kutschieren. Weiter behauptet sie: Mit der Ausbildung von 16 000 Komparsen für den Film "Die Völkerschlacht bei Leipzig", rekrutiert sie eine neue Schwarze Reichswehr. "Ehrhardts Pläne" bezeichnet das Naumburger Tageblatt am 24. Januar 1928 als "kommunistisches Märchen". Aus der Stadtzeitung erfährt der Leser im November 1927 über die Tätigkeit und Ambitionen der Devoli wesentlich Genaueres. Ihr Ziel besteht im Aufbau eines Wanderkinos, was per se keine schlechte Idee ist. Ein mobiles Landkino zur Vorführung von anspruchsvollen Kulturfilmen, das wird dringend gebraucht. Was machen aber die nationalen Windbeutel aus dieser Idee? Die Hallische Zeitung meldet unter Berufung auf die Vossische Zeitung vom 11. November 1927: Alfred Hugenberg (DNVP) beabsichtigt 400 Kinos zur Unterstützung des kommunalen Wahlkampf der Deutschnationalen in Dienst zu stellen. Dem Naumburger Tageblatt erzählt im November `27 der Geschäftsführer des Filmunternehmens etwas von den
die bereits bei einer autorisierten Berliner Ford-Niederlassung angekauft wurden, alle mit einem Sieben-Röhren-Radio, Filmapparaten von der Webler AG Berlin, Sender, Lichtanlage, Lautsprecher und Mikrophon für den Fahrleiter ausgerüstet. Im Einsatz befanden sich lediglich zwanzig Wagen.
Angeblich bewährten sie sich gut. Auch das stimmt nicht. Eine schlichte Lüge der Geschäftsführung. Die Kommunisten finden es heraus. Eine Woche bevor die Angestellten beim Amtsgericht Naumburg Konkurs für ihre Firma anmelden, legt der Klassenkampf (Halle), Organ der KPD für den Bezirk Halle-Merseburg, für die Film-Propaganda-Wagen folgende aufschlussreiche Gewinn-Verlust-Rechnung vor:
Wie sich bald herausstellte, war das eine realistische Kalkulation, denn sie stimmt im Prinzip mit dem überein, was der Konkursverwalter im April 1928 herausfindet:
Gleichwohl belässt es das KPD-Blatt nicht bei der Kritik der Betriebsökonomie.
warnt der Klassenkampf (Halle) am 10. Januar 1928. Und weiter:
Aber noch wird die Decke nicht weggezogen. Noch ist das wirtschaftliche Desaster nicht sichtbar. Erst als das vaterländische Unternehmen im Januar 1928 keine Gehälter mehr zahlt, schreckt die Stadt auf. Jetzt nimmt der Klassenkampf (Halle) Witterung auf. Am 10. Januar 1928 berichtet er auf einer ganzen Seite unter dem Titel Bei der Devoli in Naumburg über das Unternehmen. Beim Weg durch 6 000 deutsche Orte, so lautete ein Werbespruch ihr, kristallisierte sich eine tiefer Widerspruch heraus: Einerseits wirbt das vaterländische Unternehmen für jede Schuh- oder Zahnputzcreme. Und es versteht sich dabei politisch neutral. Andererseits will es eine Kampfansage gegen den amerikanischen und ausländischen Film sein, eine Vertriebsorganisation, die nur tendenzloses Material zur Aufführung bringt. Abgesehen davon, dass es den neutralen Film "vielleicht auf dem Mond gibt", wie der Klassenkampf (Halle) ketzerisch, aber durchaus zutreffend anmerkt,
Diese Zwiespältigkeit der Unternehmensphilosophie und die Wirtschaftsakrobatik des Duo Claudius-Stier führt zum Untergang der Devoli.
Bevor es zum grossen Aufräumen kommt, meldet sich die Gewerbeaufsicht der Stadtverwaltung und moniert, weil sie keine polizeiliche Genehmigung vorweisen kann, die öffentliche Aufführung von Lichtbildern am 29. November 1927 durch die Devoli. Sie weist außerdem darauf hin, dass die Filmvorführer gemäß Lichtspielverordnung vom 24. Februar 1926 im Besitz eines von der zuständigen Prüfstelle ausgestellten und vom Regierungspräsidenten anerkannten Zeugnisses sein müssen. Ebenso benötigen die Bildwerfer ein Sicherheitsedit. Die Ortspolizeibehörde Naumburg fragt am 10. Dezember 1927 in Person des Bürgermeisters bei der Firma an, ob diese Voraussetzungen alle gegeben sind. Ausserdem teilt er mit, dass ein Gewerbegenehmigung nicht erforderlich ist, weil alle Vorführungen unter der Regie des
erfolgen. Inzwischen macht die schlechte wirtschaftliche Lage des Unternehmens in der Stadt immer mehr von sich reden. Gehälter werden nicht gezahlt und Rechnungen nicht beglichen. Schließlich
beim Amtsgericht Naumburg ein Konkursverfahren an, welches dann am 13. März 1928 um 9 Uhr 25 Minuten eröffnet wird.
informiert das Naumburger Tageblatt am 14. März 1928 seine Leser. Die Bücher der Firma führte eine Freund des Claudius, der Schauspieler Anders, der in seiner Jugend einmal kurze Zeit Buchhalter gelernt hatte. "Ein ganzes Gremium von Sachverständigen und Bücherrevisoren gab sich redliche Mühe, in dem Buchhaltungssystem Anders irgendeinen Sinn zu entdecken. Vergebens! Das einzige, was man zweifelsfrei feststellen konnte, war, dass über 30 000 bis 40 000 Reichsmark überhaupt jeder Nachweis fehlte .." (De-vo-li) Offenbar sind die "nationalen Windbeutel", urteilt der "Klassenkampf" (Halle) am 3. März 1928, nicht in der Lage, das Unternehmen wirtschaftlich zu führen. Der mittlerweile vom Amtsgericht eingesetzte Konkursverwalter Bankdirektor Otto Strube (Luisenstraße 20) kommt zum gleichen Ergebnis. Die finanziellen Verhältnisse sind - schlicht ausgedrückt - ungeordnet. 70 000 Mark Verwaltungskosten und 45 000 Reichsmark an Gehaltsforderungen von den Angestellten sind finanziell nicht gedeckt. Rette sich, wer kann, heißt es unter den Mitarbeitern! Wer gerade mit den Film-Propaganda-Tanks unterwegs, gibt Vorstellungen auf eigene Kasse, denn zu Hause gibt`s kein Geld mehr. Nicht mal mehr Arbeitslosengeld, weil das Unternehmen die Beiträge zu den Sozialkassen nicht entrichtet hatte. Allerdings gelingt es im Konkursverfahren alsbald, die Mittel für die Nachzahlung für die Invaliden- und Krankenkassen sowie Erwerbslosenbeiträge aufzubringen. Wegen Nichtabführung von sozialen Pflichtbeiträgen werden Erich Claudius und Marie-Charlotte Steche vom Schöffengericht Naumburg am 15. April 1929 zu 400 Mark Strafe verurteilt.
Neben dem Ausgleich von berechtigen Ansprüchen im Konkursverfahren müssen unberechtigte Ansprüche zurückgewiesen werden. Herr Generaldirektor Claudius erhebt gegenüber Graf von der Schulenburg aus Burgscheidungen Forderungen in Höhe von 4 467 Mark. Josef Firmans, der Direktor, wie er sich im November 1927 nannte, beansprucht von ihm ebenfalls beachtliche 140 000 Reichsmark. Im Gegenzug macht der gegenüber der Geschäftsführung 320 000 Reichsmark geltend. In einem internen Polizeibericht der Stadt vom 24. Oktober 1930 nennt Kriminalkommissar Mollenhauer gar die Summe von 1 600 000 Reichsmark, die der Rittergutsbesitzer aus Burgscheidungen an die Devoli verloren hat.
Am 17. April 1928 teilt Oberbürgermeister Dietrich per Brief dem Regierungspräsidenten mit,
Ein Ablenkungsmanöver? Oder nutzte die KPD die Propaganda-Tanks vielleicht zur Vorbereitung der Reichstagswahlen 1928? Bisher fanden sich dazu in Naumburg (Saale) keine weiteren Spuren. Doch bekanntlich unternahm die KPD enorme Anstrengungen, um das neue Medium Film für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Der legendäre Willi Münzenberg (1889-1940) umriss die Hoffnungen in Verbindung mit dem Film der I.A.H. [Internationalen Arbeiterhilfe] "Sein Mahnruf". Er "wird, wenn er gezeigt werden kann, Millionen Arbeitern helfen, den Weg zur Arbeiterbewegung zu finden."
Bald nachdem der Konkursverwalter Otto Strube seine Tätigkeit aufgenommen hat, wird das Chaos sichtbar. Mal genüsslich, mal sorgenvoll, mal wieder ängstlich, reagiert die Naumburger Öffentlichkeit auf den Streit der Geschäftsleitung mit dem Investor. Die Geschäftsführung zeigt auf Schulenburg. (Vgl. Verfügung 11.4.1928). Firmans spricht von hundertfacher mündlicher und schriftlicher Zusicherung des Grafen, dass er - aus Familien- und parteipolitischen Gründen - hinter dem Unternehmen stehe, weshalb man es ein Schulenburgsches Unternehmen nennen müsse. Als aber unlängst der Redakteur der Stadtzeitung die Devoli besuchte, fungierte er hier noch als Direktor. Jetzt, nach dem Konkurs, will er nie Chef oder Direktor gewesen sein. Das heißt so viel wie:
Daran zweifeln viele, wie es ein Leser im Naumburger Tageblatt am 16. April 1928 zum Ausdruck bringt. Aber liest man die Widerrede genau, so finden sich darin keine rechtlich belastungsfähigen Argumente. Allmählich verflüchtigt sich der Skandal aus der öffentlichen Aufmerksamkeit, womit es seine Bewandtnis hat.
Selbst als der Ruin die Devoli längst aufgezehrt, verkündet Gustav Winters am 22. September 1929 in Wahrheit und Recht : Die Devoli ist in unserer Hand! Noch einmal taucht das Devoli Panzer-Mobil am 5. Juni 1929 vor dem Landgericht in Leipzig, Eisenstrasse, auf.
So unverständlich das Auftreten von Josef Firmans (Spechsart 1) in der Öffentlichkeit erscheint, ist es dann doch nicht, wenn man die Hintergründe kennt. Denn der eigentliche Chef der Devoli hieß nicht Claudius, sondern
geschiedene Weber, geboren 1898 in Leipzig. Eigentlich war sie als Stenotypistin eingestellt. Reisst sie das Ruder des führungslosen Unternehmens vielleicht in gut gemeinter Absicht an sich? Geschah es vielleicht im Konsens mit Claudius? Wie auch immer, doch auf jeden Fall in Gutsherrenmanier!
Pro Arte Als die Filmfirma im Spechsart finanziell ruiniert ist, kauft sie mit Claudius, angeblich finanziert von Baron Sternberg, für 25 000 Reichsmark den hölzernen Viermastschoner Dora, der auf Pro Arte umgetauft wird. "Zur Propagierung
deutscher Kunst im Auslande wurde ein Bühnenschiff Pro Arte"
geschaffen," schreibt die Tages-Post aus Linz am 5. Juli 1920,
"das im Zeitraum von 1 ½ Jahren die wichtigsten europäischen
und außereuropäischen 440 Personen fasst der Zuschauerraum von Pro Arte. An Bord sind 300 Ausstellungsschränke für eine Mustermesse der deutschen Industrie fest installiert. Im Januar 1930 soll es auf große Fahrt nach Südamerika gehen. So der Plan. Doch man hört Stimmen, die alte Dora ist doch gar nicht hochseetüchtig! Egal, Hauptsache der Intendant des Bühnenschiffes heißt - wie? natürlich Erich Claudius. Die Stadt München soll das Protektorat über das Kulturschiff Pro Arte übernehmen, was wohl so viel heißt wie, sie soll es subventionieren. Der Illustrierte Sonntag berichtet am 4. Januar 1931, dass die Stadt dies abgelehnt hat und vermerkt noch: "Für das Gesuch an die Stadt München zeichnete eine Frau Steche aus Leipzig; der eigentliche Drahtzieher der Sache aber ist der frühere Regisseur und Schauspieler Claudius."
Das Claudius-Steche-Prinzip Der nächste Schiffbruch, ahnt im Juni 1931 der Vorwärts (SPD), steht bevor. Am 28. September 1931 fällt Pro Arte in Hamburg der Versteigerung anheim. Das Claudius-Steche-Prinzip bedeutet: Finanzierung von Unternehmungen mit dem Geld aus fremden Taschen, ohne Kontrolle über dessen Rentabilität. Aber warum nur wähnten im August 1927 die Handwerker, Lieferanten und Dienstleister aus Naumburg bei Erich Claudius alles in guten Händen? In der Stadt war die wirtschaftliche Schwäche der Schaubühne in der Reichskrone, die Malaise mit dem Vaterländischen Filmverein und die Pleite der Filmenau allgemein bekannt. War es Leichtgläubigkeit? Oder steuerten ökonomische Zwänge ihre Hoffnungen? Barmittel sind bei Eröffnung des Konkursverfahrens keine vorhanden, alle Waren sind gepfändet. Die Aktiva in Höhe von 130 000 Reichsmark (genannt werden auch 180 000) sind zu 90 Prozent mit Eigentumsvorbehalten belastet.
teilt bedeutungsschwanger das Naumburger Tageblatt am 14. März 1928 mit. Allein eine auswärtige Radiofirma bekommt noch 14 000 Reichsmark. Sie ist zu vierzig Prozent am Gewinn der Firma beteiligt. Am 18. Juni 1931 wird Claudius wegen Konkursvergehen durch das Schöffengericht Naumburg zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.
[Artes, Victor] Brief von Stadtrat Victor Artes am 10. September 1927 an die Industrie- und Handelskammer Halle (Saale). Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, IHK Kammer Halle, Rep. C 110, Nr. 965 Walter: Der Fall Hugenberg. Die Weltbühne, XXII. Jahrgang, Nummer 18, Berlin, den 23. Februar 1926, Seite292 Auszug aus einem Werbeschreiben der Devoli von 1928. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg C 110, Halle Nr. 959 Brief. Verband der Preußischer Polizeibeamten e.V., Sitz Berlin, An die Industrie und Handelskammer Halle a. S.. Berlin W 35, den 25. August 1927. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 110, Nr. 959 Bei weitem intensiver. [Werbeprospekt der Devoli, Naumburg, Saale] Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, Rep. C 110, Nr. 959 Bürgermeister Roloff. Brief an den Regierungspräsidenten von Merseburg vom 13. April 1928. Magistrat Naumburg. Polizeiverwaltung. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225 Bürgermeister Roloff. Brief an den Regierungspräsidenten von Merseburg vom 24. Januar 1928. Magistrat Naumburg. Polizeiverwaltung. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225 Das Ende des Devoli-Unternehmens. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 13. April 1928 Das Ende des Devoli-Unternehmens. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 14. April 1928 Das Konkursverfahren gegen die Devoli eröffnet. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 8. März 1928 Das "Kunstschiff". Illustrierte Sonntag. Jahrgang 3, Nummer 1, 4. Januar 1931, Seite 11 Das Konkursverfahren gegen die Devoli eröffnet. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 14. März 1928 Der Konkurs der Naumburger Devoli. "Jenaer Volksblatt." Jena, den 17. März 1928 Deutsche Volkslichtspiele Devoli, Brief an die Polizeiverwaltung Naumburg vom 22. Dezember 1927. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225 Deutsche Volkslichtspiele Devoli, Brief an die Polizeiverwaltung Naumburg vom 30. Dezember 1927. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225 Deutschnationale Filmpläne [in Naumburg / Saale]. "Neue Freie Presse". Wien, den 24. Dezember 1927, Seite 2 "Devoli". "Wahrheit und Recht. Wochenschrift für Wiederaufbau und Ausbau der deutschen Wirtschaft" 4. Jahrgang, Nummer 8, Leipzig, den 22. Februar 1929 De-vo-li. Eine "nationale Idee", die im Gefängnis endet. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands." Morgen Ausgabe. Berlin, den 21. Juni 1931, Seite 2 Die Macht des Hugenberg-Konzerns. "Freiheit". [Parteizeitung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands], Berlin, den 11. April 1928 Dramatische Lesung. "Vorwärts. Morgen Ausgabe. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands." Berlin, den 23. April 1920, Seite 2 Ein Besuch bei der "Devoli". "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 19. November 1927 Gebietsverteilungsplan für die Reklamewagen der Deutschen Volkslichtspiele GmbH (Devoli). Naumburg an der Saale 1 bis 20. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg C 110, Halle Nr. 959 G.W., der fünfte Kandidat. "Der Abend. Spätausgabe des Vorwärts." Beilage, Berlin, den 9. März 1932 Holzbach, Heidrun: Das "System" Hugenberg, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1981 Reichswehrgeschäft mit Hugenberg. "Vorwärts. Berliner Volksblatt. Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands". Abendausgabe. Berlin, den 11. November 1927 [Kaution] Polizeiverwaltung Naumburg. Tagebuch vom 29. Oktober 1927 und 3.11.1927. In: Magistrat Naumburg. Polizeiverwaltung. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225 Keine, Sepp: Ueber Militärfilme. In: Am Wege, Nachrichten "Die Naturfreunde" Gau Thüringen, 6 (1925) Nummer 11, Seite 176-177 Kino als Wahlpropaganda. "Hallische Nachrichten," Nummer 265, Halle, den 11. November 1927 Mit 400 Kinos in die Wahlen. Hugenbergs Laterna Magica. "Vossische Zeitung. Berlinische Zeitung von Staats- und Gelehrtensachen". Morgenausgabe, Berlin, den 11. November 1927 Münzenberg, Willy: Erobert den Film. Berlin 1925 Musikalische Rundschau. Musikberichte aus deutschen und anderen Städten. Nummer 3, Leipzig, den 8. Juli 1922, Seite 72 Neueste Nachrichten. [Bericht über die Devoli in Naumburg / Saale]. In: Österr-Filmzeitung. Das Organ der Österreichischen Filmindustrie. Redaktion und Verlag, Wien VII. Neubaugasse 36, Nummer 47, Wien, den 10. November 1927, Seite 1 Nochmals das Ende des Devoli Unternehmens. "Naumburger Tageblatt", Naumburg, den 16. April 1928 Polizeiverwaltung Naumburg. Verfügung vom 24. Januar 1928. Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225 Rechtspolitisierung der deutschen Kinos. "Voralberger Wacht". Dornbirn, am 29. Dezember 1927, Seite 2 Reichswehrgeschäft mit Hugenberg. "Vorwärts. Berliner Volksblatt von der Sozialdemokratischen Volkspartei Deutschlands". Berlin, den 11. November 1927, Seite 1 Verfügung von Oberbürgermeister Dietrich. An den Herrn Regierungspräsidenten. Betr.: Konkursverfahren über das Vermögen der Devoli G.m.b.H., 11. April 1928. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225 Verfügung von Oberbürgermeister Dietrich. An den Herrn Regierungspräsidenten. Betr.: Konkursverfahren über das Vermögen der Devoli G.m.b.H., 17. April 1928. Devoli GmbH, Deutsche Volkslichtspiele. 1927-1930 Stadtarchiv Naumburg, Archivnummer 6225 Versucht die Devoli einen betrügerischen Bankrott? "Klassenkampf, Organ der KPD für den Bezirk Halle-Merseburg". Halle, den 3. März 1928 [Wanderkino] Das Wanderkino lebt wieder auf. In: Das Kino-Journal. Nummer 209 des 20. Jahrgangs. Wien, am 19. November 1927, Seite 3 bis 4 Werbung der Deutschen Volkslichtspiele GmbH. Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt, Merseburg, C 110 Halle, Nr. 959 Zur Propagierung deutscher Kunst [Nachricht]. "Tages-Post. Sonntagsblatt". Linz a. d. Donau, Samstag den 5. Juli 1930, Seite 15 |
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Geschrieben: 2. Oktober 2004. Aktualisiert: 4. Februar 2011 |